„… und, was macht den ihrä Mah dr ganzi Tag?“

Sonntagmorgen, 11.00 Uhr. Vor einer Stunde war ich noch in den Gartenkleidern damit beschäftigt, Laub zu wischen. Jetzt begrüsse ich zusammen mit meiner Frau Marion den Besuch aus der Schweiz, eine 25köpfige Reisegruppe aus Basel. In den nächsten zwei Stunden wird meine Frau ihnen über ihre Tätigkeit als Schweizer Botschafterin in Neuseeland erzählen. Was sind Ihre Aufgaben? Sind Sie noch für andere Länder zuständig? Was sind die politischen und wirtschaftlichen Ziele der Schweiz in Neuseeland? Was heisst „Interessenwahrung“? Unsere drei Kinder freuen sich über den Besuch aus der Schweiz;  sie müssen nicht am Staatsunterricht teilnehmen. Stattdessen gibt es für sie zwei extra Gamestunden an der Playstation im Obergeschoss. Schliesslich wollen wir jetzt nicht allzu viel Radau haben. Ich sitze im Nebenzimmer, schreibe E-Mails und höre mit einem Ohr dem Vortrag und den anschliessenden Fragen zu.

Ja klar, eigentlich hätte ich es wissen müssen, ärgere ich mich im Nachhinein etwas. Unsere Rollen entsprechen nicht dem gängigen Rollenbild, erst recht nicht dem schweizerischen. Und so kommt die Frage die dann kommen musste: „Ja, was macht den Ihrä Ma dr ganzi Tag?“ Marion reagiert locker: „Da fragen Sie ihn doch gerade am besten selbst.“ Hätte ich vor ein paar Jahren dieselbeFrage noch mit der Gegenfrage beantwortet: „Würden Sie diese Frage einer Hausfrau auch stellen?“, reagiere ich heute gelassener und erzähle gerne von meinem Tagesablauf: Aufstehen um 6.00 Uhr früh, Brot backen, Lunch für die Kinder zubereiten,  Frühstück bereitstellen, Kinder wecken, etc. Um 09.00 Uhr sind die morgendlichen Routinen erledigt. Bis nachmittags um 15.00 Uhr kann ich mir meine Zeit freier einteilen. Klar,  da gibt’s noch den Einkauf, die Wäsche, dieses und jenes rund ums Haus. Es bleibt aber auch Zeit für das tägliche Alphorn üben, für Sport und die Mithilfe in einemSchulprojekt einer benachbarten Schule. Eine Schule mit geringen finanziellen Mitteln, aber grossen sozialen Problemen. Das Ziel meiner Freiwilligenarbeitist es,  mit den meist arbeitslosen, oft straffälligen Vätern eine Velowerkstatt aufzubauen, sie also vom Fernsehen und der Bierflasche während des Tages wegzubringen. Einen kleinen Erfolg konnten wir bereits verbuchen: Ein paar Väter kamen mit den defekten Velos ihrer Kinder zur Schule, als ich dort mit zwei wirklichen Veloprofis einen Nachmittag lang gratis Velo reparierte.  Noch mehr als über das Veloflicken lerne ich mit meinem Engagement über das Leben in Neuseeland, fernab vom Hochglanzprospekt mit saftigen, grünen Wiesen, blauen Seen und Adrenalin-Kick-Sportarten.  Um 15.30 Uhr ist meine selbstbestimmte Zeit zu Ende, die Kinder sind aus der Schule zurück. Erst muss der Hunger gestillt werden. Anschliessend werden die Hausaufgaben erledigt und je nach Wochentag ist Fussballtraining, Schwimmen, Klavierunterricht oder auch Nichtstun angesagt. Im Unterschied zur Schweiz gibt es hier keine Nonna, die mirfrüher viel abgenommen hat; keine Nachbarn und Nachbarskinder,  mit denen wir seit Jahren befreundet sind. Hier muss alles geplant,  organisiert und „transportiert“  werden. Das macht die Freizeitgestaltung komplizierter als früher in Bern, da kann ich mich nicht ausklinken.

„ Sie wissen, was all die Mütter tagein, tagaus leisten“, wirft eine Dame ein. „ Ja, das glaube ich zu wissen, nur mit dem Unterschied, dass ich als Hausmann und Vater aufbegehren, klagen und jammern darf...“ Verständnis ist mir zugesichert. Für die Hausfrau und Mutter gilt das nicht! Berührt bin ich beim Abschied, als eine Frau mir sagt, sie sei beeindruckt, wie ich meiner Frau den Rücken frei halte. Ein Kompliment aus dem Herzen, das mich freut und ich Marion sogleich weitergebe: „ Zusammen sind wir ein starkes Team!“ Sagen Sie es doch auch einmal Ihrem Backoffice – ob Mann oder Frau, es freut und schliesslich ist es Frühling.

Aus dem herbstlichen Wellington grüsst

Waldemar Krupski

Und was macht Ihrä Ma dr ganzi Tag?