«Wer niä fort ghat, chat niä heicho»

Mittwochabend, 22.45 Uhr, Flug LX189 Zürich – Bangkok.

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Vor zwei Stunden standen Kasimir, Janina, Nikolai und ich noch bei der Passkontrolle am Flughafen Zürich-Kloten und haben uns von Mama, Nonna und Freunden verabschiedet. Im Bahntransit zum Gate hörten und sahen wir noch einmal Swissness: Alphorntöne, Jodel und Kuhglockengebimmel. Zwei Langstrecken- und ein Kurzstreckenflug, gut 35 Stunden Reisezeit liegen vor uns, dann werden wir wieder zu Hause sein. Zu Hause: das ist dort, wo Ferdinand, unser Kater, uns sehnlichst erwartet – und wir ihn. Wo im Fischladen die Verkäuferin mich begrüssen und fragen wird, wo ich so lange geblieben sei. Dort, wo die Kinder zur Schule gehen. Wo Alltag herrscht. Vieles ist uns in den vergangenen drei Jahren vertraut geworden. Ich freue mich nach den langen Ferien wieder auf die Routine, geregelte Tagesabläufe, auf den Alltag eben. Und trotzdem – im Bauch fühle ich eine Schwere. Der Teil in mir, der bleiben will! Ein Gefühl, das ich – ich weiss es noch genau – vor 29 Jahren empfand, als ich erstmals ein Flugzeug bestieg. Gary Nowak, unser Nachbar in Altdorf, meinte damals: «Wer niä fort ghat, chat niä hei choh.» Wie recht er doch hat! Wann immer ich verreise, denke ich an seine Worte.

Heute, im Gegensatz zu damals, beschäftigt mich, was Heimat ist. Ist Heimat in Altdorf, wo das Einkaufen viel länger dauert, weil ich ständig Bekannte treffe? Oder auf dem Urnerboden, mit dem an Kindheitstage erinnernde «Düü–dää–doo ...!» des Postautos? Auf dem Riedli, im «Heimetli» ob Attinghausen, wo ab und zu ein Wanderer oder Waldarbeiter vorbei- kommt und eine Anekdote von meinem Vater erzählt? Ist es in Zürich, wo ich meine Frau kennen- und das Stadtleben zu lieben gelernt habe? Oder Bern, wo die Kinder eingeschult wurden und alle ihre Schweizer Freun- de haben, deren Eltern auch zu Marions und meinen Freunden wur- den? Ist es in Mürren im Berner Oberland, wo ich eben einen Alphornkurs besuchte, Klischees erlebte und lebte – und staunte über die Hauswand, welche mit «Heimat» beschriftet ist? Was ist es, das Heimat ausmacht? Die Erinnerung an das traumhafte Sommerwetter der vergangenen Wochen, die Bilderbuchschweiz, die wir erleben durften, lässt hier im Flug LX 189 etwas Wehmut aufkommen. Und ich merke: Ja, die Schweiz ist meine Heimat, was immer auch Heimat ausmacht – ich bin stolz auf sie! Ich freue mich bereits die nächsten Ferien in der Schweiz. Weil eben: «Wer niä fort ghat, chat niä heicho!» Auf der Reise nach Hause grüsst

Waldemar Krupski

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