Wiä g’hats in Dakar

Wir alle kennen es: Wird man oft das Gleiche gefragt, wird man des Antwortens müde. Eine Floskel mit dem Ziel, sich kurz zu halten, kann vermeintlich helfen. Das tönt dann etwa so: « Hoi Waldemar, wiä g’hats in Dakar? Hend iär üch güat i gläbt»? «Dankä, äs ghat üs allnä guät. Dr Honeymoon isch over»! Fazit: Der zweite Satz taugt nichts, will ich mich kurz halten. Eigentlich logisch. Stattdessen löst er beim Gegenüber meist ein Nachfragen aus. Manchmal gelingt es mir, die Aussage mit ein paar wenigen Worten zu präzisieren. Oft aber bleibt ein unbefriedigendes Gefühl des nicht-verstanden-worden-seins zurück.

Hier ein Erklärungsversuch:

In den ersten Monaten war Dakar aufregend unbekannt. Unvorhersehbar, überraschend, farbenfroh. Mir ging es gut. Nicht einmal einsam fühlte ich mich, auch wenn ich mich kaum verständigen konnte. Wenn während der Regenzeit die Gipsdecke in unserem Haus herunterfiel, weil es ihr einfach zu nass wurde, nahm ich das ohne grossen Ärger zur Kenntnis. Das gleiche gilt für die undichten Fenster. Es erstaunte mich, wenn unsere Gouvernante, der ich blindlings vertraue, mir mit ernster Stimme zu erklären versuchte, dass ich den Tee vom Koch nicht trinken solle, weil er vergiftet sei. Getrunken habe ich ihn trotzdem. Und weder Bauchschmerzen noch Visionen bekommen. Als der «Hauswart» den Türgriff senkrecht statt waagrecht montierte, zeigte ich mich geduldig. Ich führte ihn durchs Haus und bat ihn, mir doch senkrecht montierte Türgriffe zu zeigen. «N’existe pas» sagt er nach einer Weile». «Oui, n‘existe pas» bestätigte ich ihm. Gemeinsam montieren wir den Türgriff wie es sich gehört. Er nahm es ungerührt zur Kenntnis.

Und heute? Heute, nach einem Jahr Dakar, bin ich in vielerlei Hinsicht etwas ernüchtert. Mir ist die Romantik vom Sprichwort «es braucht ein Dorf um ein Kind gross zu ziehen» abhanden gekommen. Heute sehe ich ein Dorf, wo sozialer Druck, Neid, Missgunst und Aberglauben einen nicht unwesentlichen Teil der Gemeinschaft bestimmen. Wer etwas erreicht, erweckt sofort Begehrlichkeiten. Die erweiterte Verwandtschaft erhebt rigide ihren Anspruch. Wer es verwehrt, alles zu teilen, riskiert verstossen zu werden. Nicht selten werden diejenigen, denen etwas gelingt, eines Pakts mit einer höheren Macht bezichtigt. Denn nur so ist sein Erfolg zu erklären. Eigenverantwortung und Fleiss werden so zu zwiespältigen Tugenden mit manchmal unabsehbaren Folgen.

Ein anderes Bild prägt meine Erinnerung an dieses einst idealisierte Dorfleben. Ich sehe Mädchen, fünf, sechs Jahre jung. Sie tragen Brennholz, sie tragen Wasser, sie tragen ihre noch kleineren Geschwistern bereits auf dem Rücken. Und ich sehe kleine Buben. Sie sitzen herum. Sie spielen Fussball. So wie es die grossen «Buben» ihnen vorleben. Und sie werden dereinst das Sagen haben. Die, die arbeiten und die Kinder gebären, werden «geachtet und respektiert» solange sie das tun, wofür sie aus Sicht der Buben geboren sind.

Ich merke, das Geschriebene greift zu kurz um «dr Hooneymoon isch over» zu erklären. Vielleicht sage ich besser; vor den langen Ferien war ich etwas ratlos und mir fehlte die Demut die Ratlosigkeit zu ertragen.

Nun, wieder zurück in Dakar höre ich oft: «Monsieur Waldemar, le vacances passé bien?» «Qui, es war eine sehr schöne Zeit zu Hause. Und es ist auch schön wieder hier zu sein!» Und schon ist es wieder da, dieses herzhafte lachen. Und ich stehe mitten drin in diesem farbenfrohen, chaotischen treiben, welches ich nie annährend verstehen werde…

Ich grüsse herzlich aus Dakar und freue mich auf das nächste mal, wenn es wieder heisst: «Und wiä ghats üch in Dakar»

Waldemar

Gestern lockte noch die Badi in Flüelen. Heute die Wellen am Strand von Dakar.