Mast und Schotbruch, aber lieber ohne mich

Mast und Schotbruch, wakr coaching

«Auf was freust du dich am meisten, wenn wir wieder an Land sind?» fragt mich Marion. «Dass wir an Land sind», antworte ich kurz. Wir sind eben im Hafen von Mindelo, Kapverden, angekommen. Eine Woche haben wir auf dem Segelschiff « Fleur de Passion » (www.omexpedition.ch) verbracht. Sind mit zehn uns anfangs fremden Menschen von Dakar in die Kapverden gesegelt und fasse ich die Ferien in wenigen Worten zusammen, lautet die Kurzfassung: Unter Erfahrung abbuchen.

Dass aus mir nie ein Seefahrer wird, wusste ich schon, bevor ich mich auf dieses Abenteuer eingelassen hatte. Auch war mir klar, als ich die «Fleur de Passion» erstmals im Hafen von Dakar vor Anker liegen sah, dass ich meine Komfortzone für eine Woche verlassen werde. In den vielen Papieren, die Marion und ich vor Reisebeginn zu unterschreiben hatten, stand auch drin, dass an Bord ein striktes Alkoholverbot besteht. Das schien mir, als ich noch festen Boden unter den Füssen hatte, eine gewisse Herausforderung zu werden. Umsonst! Ich werde in den nächsten Tagen heftiger schwanken, als ich es je unter Alkoholeinfluss tat. Und dass ich einer Tasse Tee einem Glas Bier den Vorzug gäbe, hätte Marion vor ein paar Tagen noch für unmöglich gehalten. Ich übrigens auch.

Nein ehrlich, ich hätte mich ohrfeigen können, diesen Aktivferien zugestimmt zu haben, als morgens um 2.45 Uhr der Wecker ruft, um mir mitzuteilen, dass meine Schicht, welche bis 6 Uhr morgens dauern wird, in 15 Minuten losgeht. Kaum aufrecht, knallt es mich, mit einem Bein im Pyjama verfangen, an die Kojenwand. Hier drinnen kann ich wenigstens nicht umfallen, geht es mir durch den Kopf, viel zu eng ist die Koje. Ich zieh mir die Schwimmweste über. Ihr leicht säuerlicher Geruch soll mich wohl auf das vorbereiten, was folgen wird.  Achtung festhalten. Die über 2m hohen Wellen, durch die sich die «Passionsblume» pflügt, fordern ihr Tribut auf dem Segelschiff. Ich bin erleichtert, meinen Sitzplatz neben dem Steuerruder erreicht zu haben. Schliesse die Augen, in der Hoffnung, dass so die Übelkeit etwas nachlässt, und warte, bis ich vom Skipper aufgerufen werde, das Steuerruder zu übernehmen. «Hey, seht ihr das Leuchten draussen im Meer?» ruft Amelie während sie hinter dem Steuerruder steht. Und tatsächlich, ein seltsam rosa funkelndes Licht strahlt im Ozean. Mitten aus dem Nichts. Das Naturspektakel, hervorgerufen durch Plankton, wäre wohl ein Highlight unseres Segelturns, hinge ich nicht bereits, mein Schicksal verfluchend, über der Reling.  Habe ich dieses Naturspektakel nicht schon einmal gesehen?,  geht es mir durch den Kopf. Und schaue in Gedanken «Ozeane» 3D im IMax Filmtheater des Verkehrsmuseum Luzern. Eintritt Fr. 16.- Kino, Komfortsitz inbegriffen.  Nach der Frühschicht freue ich mich wie ein Überlebender, dass ich mich in die Koje zurückziehen kann. Liegend erdulde ich den Segelturn am besten. An Lesen ist nicht zu denken, zu gross wird die Übelkeit. Zum Glück habe ich mir die Netflix-Serie « House of Cards » auf mein I-Pad geladen. War ich schon einmal so dankbar, für kurze Zeit der Realität zu entfliehen? Ganze 6 Stunden dauert meine Flucht. Dann holt mich meine Küchenschicht abrupt zurück in die Gegenwart. «Nahrungszubereitung unter erschwerten Umständen», trifft meine Erfahrung ziemlich gut: Alles was nicht fixiert wird, findet sich am Boden wieder. Irgendwann gehen mir die Fluchworte beim Rüsten der Zwiebeln aus. Ich zähle die Stunden doch es sind noch Tage. Dank idealer Windverhältnisse, wie Skipper Pere nüchtern feststellt, treffen wir zwei Tage früher als geplant in Mindelo ein. Alles im Leben hat seinen Preis - mein Glaubenssatz hat auch auf hoher See Gültigkeit.

Mit Seglergruss «Mast und Schottbruch» glücklich aus Dakar

Waldemar Krupski 

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